Wer tanzt mit der Komplexität?

Dass die Welt komplex ist und wie es so schwer ist, damit als Unternehmen (oder auch als Individuum) umzugehen, das ist seit einiger Zeit Thema allüberall, scheint mir. Oder liegt es an meiner aktuellen Filter Bubble? Nein, ich glaube, „das ist Thema“. Denn schon beschäftigt sich sogar die Hamburger Handwerkskammer damit. Wenn die nämlich einen Veranstaltungstag unter der Überschrift „Arbeit 4.0“ ausrichtet, dann geht es dabei um nichts anderes, als die Beschäftigung mit Komplexität, selbst wenn der Begriff in der Beschreibung nicht auftaucht.

IoT, Industrie 4.0, Digitalisierung, New Work, Arbeit 4.0, Selbstorganisation, Augenhöhe und was der Buzzwords mehr sind, vergrößern entweder Komplexität (unabsichtlich) oder sollen helfen, Komplexität zu zähmen.

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Mal scheint Komplexität die Antwort, mal das Problem. In jedem Fall stellt sie wohl ein Nadelöhr dar auf dem Weg zu… Ja, was eigentlich? Anhaltendem Erfolg, mehr Erfolg, (Über)Leben am Markt, Zukunftsfähigkeit.

Früher war die zentrale Hürde Produktivität. Das Thema ist nun durch, würde ich sagen. Wir können produktiv (genug) sein, wenn wir denn wüssten, wann wofür. Doch diese einstmalige Klarheit ist verloren gegangen.

Wohin das Produktivpotenzial ausrichten? Wie das Produktivpotenzial auf die Straße bringen?

Die Unsicherheit ist groß, da die Märkte gesättigt sind und die Menschen auch. Die Bedürfnislage ist unbestimmt und wechselnd. Die nächste Maßnahme zur Umsatzsteigerung liegt weder inhaltlich noch in der Form auf der Hand.

Unternehmensführung ist kein Selbstgänger mehr, den man mit etwas Zuckerbrot und ein wenig Peitschenknallen auf Kurs halten kann.

Und nun?

Patentrezepte lassen auf sich warten. Nur eines scheint gewiss: ein Umbau, eine Neuausrichtung ist nötig. Aber jetzt Holakratie einführen? Oder doch besser Enterprise Scrum? Sollten Hierarchien auf jeden Fall abgeschafft oder zumindest abgeschliffen werden, Selbstorganisation auf jeden Fall?

Der Orientierungsbedarf ist groß. Umso größer, als sich herausschält, dass es Antworten auf Komplexität nicht auf derselben Ebene wie bei der Produktivität geben wird. Komplexität verlangt nicht nur Veränderung, sondern auch noch eine Veränderung des Veränderns.

Bisherige Veränderungen beruhten darauf, die Veränderung zu kontrollieren. In der Natur der Komplexität liegt es jedoch, gewünschte Zustände nicht kontrolliert herstellen oder direkt ansteuern zu können.

Der Widerspruch zum bisherigen Führungsparadigma könnte nicht größer sein.

Und nun?

Rückzug

Es mit Komplexität aufnehmen zu wollen, ohne sich vorher zurückzuziehen, scheint mir ein Rezept für großes Leiden. Deshalb Rückzug aus der Machermentalität, Rückzug aus den Patentrezepten, Rückzug aus dem Hype, Rückzug aus der Lösungsfokussierung, Rückzug aus dem Kontrollwahn, Rückzug aus kurzfristigen Lösungen…

Stattdessen: Denken, Diskutieren, Kontemplieren, Muße. Erstmal. Für den Einstieg.

Rückzug soll also nicht Kapitulation oder Passivität nahelegen, sondern Sammlung und Neuformierung des Denkens. Natürlich ist im Angesicht von Komplexität nicht Inaktivität die Antwort, sondern Aktivität – nur eben eine andere Art.

Irgendwann gilt es, Maßnahmen im Unternehmen oder dem eigenen Leben zu ergreifen. Irgendwann muss etwas verändert werden, wenn die eine oder andere Komplexität drückt.

Damit dies jedoch auf der nächsten notwendigen Bewusstseinsstufe geschieht, ist die erst einmal zu erarbeiten und zu verinnerlichen. Das ist nur schwer im Sperrfeuer des Tagesgeschäftes zu erreichen. Deshalb: Rückzug.

Denken hilft

Eine Gelegenheit zu solchem Rückzug bietet die Denkwoche mit Mark Lambertz auf dem Château d’Orion in Südfrankreich, meine ich. Dort ist es schön, dort ist es still, dort sind die Menschen freundlich, dort ist die Atmosphäre für einen Rückzug ideal.

Mark ist Autor eines Buches, das sich mit Organisationsstrukturen für Komplexität beschäftigt: Freiheit und Verantwortung für intelligente Organisationen. Darin geht es nicht um mehr vom Bisherigen, sondern um ein grundsätzliches Anders. Es ist ein Buch, das das Denken anregt, auf die nächste notwendige Stufe zu klettern.

Ich habe es gelesen und war gleich vom Potenzial des Ansatzes begeistert. Dann habe ich das Gespräch mit Mark gesucht und wir haben gemerkt, dass wir eine Menge Ansichten teilen. Dann ergab es sich, dass ich dem Château empfehlen konnte, Mark für eine Denkwoche einzuladen. Und nun freue ich mich darauf, 6 Tage im April 2017 im schönen Béarn zurückgezogen mit Denken und Diskutieren in wunderbarer Umgebung und fürstlich bekocht mit guter Gesellschaft zu verbringen. Das wird eine sehr produktive und anregende Zeit, glaube ich.

Getreu der Natur der Komplexität wird die Denkwoche aber natürlich nicht versuchen, das Thema in den Griff zu bekommen. Es geht vielmehr darum, Komplexität als Partner zu begreifen. Sie ist kein Mittel, sie ist kein Gegner, sie muss nicht bekämpft werden. Komplexität ist vielmehr Ausdruck des Lebens selbst. Mit ihr lässt sich quasi nur symbiotisch umgehen. Sie gibt uns etwas – Fülle, Reichhaltigkeit, Vielfalt – und wir nähren sie mit unserem Tun. Co-Evolution.

Mit der Komplexität tanzen

Deshalb ist das Motto der Denkwoche: Mit der Komplexität tanzen.

Ja, ich glaube, der Tanz ist ein gutes Bild dafür. Im Tanz gibt es zwar Führung, aber keine Kontrolle. Der Tanz kennt zwar Schrittfolgen, doch die können nicht mechanisch ausgeführt werden, sondern sind an die Situation anzupassen. Während des Tanzes gibt es unvorhersehbare Entwicklung, Tanzpartner entwickeln sich, und sogar der Tanz selbst entwickelt sich zusammen mit Musik und Gesellschaft. Alles fließt.

Und genau darum geht es: Fluss. Wenn es eine verlässliche Empfehlug für den Umgang mit Komplexität geben sollte, dann wohl „Ins Fließen kommen“. Auf allen Ebenen, in jeder Hinsicht.

Doch Fluss ist das Gegenteil von Kontrolle, von Planung, von Festhalten. Deshalb ist ein Rückzug zu empfehlen, um sich mit dem Gedanken, gar dem Gefühl des Fließens anzufreunden.

Wer hat Lust, das mit Mark und mir während der Denkwoche im Château d’Orion das zu tun? Anregende Diskussionen und Wohlfühlen garantiert. Von mehr Klarheit ganz zu schweigen.

Hier gehts zur offiziellen Seite der Denkwoche. Ein Frühbucherrabatt ist auch noch zu haben ;-) Warum nicht „ein Tänzchen wagen“?